Im Mai beginnen jeweils wieder die Lehrgänge der Kräuterakademie (www.kraeuterakademie.ch) zu denen Leitungsteam und Dozenten ich gehöre. Mein Unterrichtsgebiet ist innerhalb von Modul 2 das Thema „Verborgene Heilkräfte der Pflanzen“:
- Es geht nicht darum, dass ich einen Informationsvorsprung hätte und damit über Heilkräfte weiss, die der Öffentlichkeit noch unbekannt sind, oder sogar bewusst geheim gehalten (= verborgen) werden.
- Vielmehr geht es darum, dass die meisten unter uns viele Heilkräfte nicht realisieren, weil wir in bestimmten Clichés befangen sind: unser Denken konzentriert sich z.B. auf die „offiziellen“ Heilwirkungen und Indikationen, die etwa an Substanzen gebunden und mittels Tierversuchen „bewiesen“ sind.
- Mein Unterricht verfolgt das Ziel, aus dieser beschränkten Sichtweise auszubrechen, und eine umfassende, ganzheitliche und dabei systematische Sichtweise auf die Heilwirkungen zu eröffnen.
Als Beispiel dazu führe ich nun eine Pflanze aus, die nicht unbedingt als Heilpflanze bekannt ist: die Rebe (vitis vinifera).
Heilwirkungen der Rebe
Ich führe einige Anwendungen auf, über die Sie dann in Musse – vielleicht bei einem Glas Wein – weiter nachdenken können:
- Rotwein: gut für das Herz
- dabei ist der rote Farbstoff ein Wirkungsträger. Weisswein hat nicht die gleiche Wirkung. Auch ein Federweisser (weisser Wein aus roten Trauben) nicht.
- der Alkohol ist ebenfalls Wirkungsträger: Alkohol verbessert die kapillare Durchblutung.
- „Herzwein“, mit Zusatz weiterer Heilkräuter, ist eine beliebte und bewährte Hausspezialität vieler Apotheken.
- Aus Wein macht man Essig
- Essigsocken, Essigwickel sind ein bewährtes fiebersenkendes Mittel.
- Essig, also Gärungsessig (aber nicht nur aus Trauben) reguliert auch das mikrobiologische Milieu, d.h. die Flora unseres Körpers.
- Essig ist ein Konservierungsmittel, und zwar ein biologisch positives / probiotisches.
- Biologisch negative / antibiotische Konservierungsmittel und -Verfahren töten alles Lebendige ab.
- Essig als biologisch positives / probiotisches Konservierungsmittel stabilisiert die biologischen Aktivitäten, indem es das Milieu „in den Anschlag“ führt, bei dem mikrobielle Aktivitäten zum Stillstand kommen und in Wartestellung startbereit bleiben.
- Branntwein ist bewährtes Mittel für Einreibungen, Frottierungen:
- denken Sie an Franzbranntwein
- Traubensaft muss nicht vergoren sein
- unvergorener Traubensaft aus roten Trauben hat auch die gefäss-schützende Wirkung und die Wirkung gegen freie Radikale wie Rotwein
- passen Sie aber auf: ganz alkoholfrei bleiben Sie auch mit Traubensaft nicht. Er wird in der Wärme des Verdauungstrakts gären und Alkohol bilden. (Wie dies auch bei Babynahrung der Fall ist: Bananen, Kinderbreichen, Brot etc. gären im Baby-Bauch. Intensiver noch wenn Zucker beigefügt wird, z.B. in Form von Limonade oder gesüsstem Tee.)
- Traubensaft kann auch teilvergoren sein, und hat dann (als „Sauser“) eine abführende Wirkung, wenn er nicht mit gebührender Zurückhaltung konsumiert wird.
- Der Branntwein (aber auch Alkohol aus anderen Pflanzen) wird nicht nur für äusserliche Anwendungen verwendet, sondern auch innerlich
- Grappa kann die Verdauung unterstützen
- Guter Alkohol in grosser Dosierung kann die Leber schützen und das Leben retten, wenn z.B. eine tödliche Vergiftung mit Holz-Alkohol droht. (Sie haben sicherlich von den regelmässig auftretenden Fällen gehört, wenn sich z.B. in Indien eine ganze Hochzeits- oder andere Festgesellschaft mit billigem Holz-Alkohol vergiftet und etliche Menschen sterben, weil das Geld für richtigen, ungiftigen Alkohol gespart wurde.)
- ein „Kaffee Schnaps“ ist nicht nur bewährt, um nach einem Aufenthalt in der Kälte die innere Wärme wieder in die Zehen, Finger und äusseren Körperbereiche zu transportieren (siehe oben: kapillare Durchblutung)
- Kaffee Schnaps ist auch bewährt als Mittel bei Angina pectoris, also „Herz-Enge“:
- der Kaffee wirkt antreibend, als „flüssiger Herzschrittmacher“
- der Schnaps verbessert die Durchblutung der Kapillaren und der verengten Herzkranzgefässe
- Branntwein / Alkohol ist als Konservierungs- und Auszugsmittel Bestandteil vieler Heilmittel und Medikamente
- Alkohol konserviert und verhindert das schnelle Verderben
- Alkohol löst Inhaltsstoffe, die durch Wasser nicht gelöst werden können
- eine Tinktur (mit Alkohol ausgezogen) wirkt deshalb anders als ein Tee (mit Wasser ausgezogen)
- Rotes Weinlaub ist die Grundlage für Venenmittel, besonders bei müden Beinen, Krampfadern etc.
- Traubenkernöl ist ebenfalls ein Heilmittel mit Anwendungen, die auch Ernährung und Kosmetik umfassen
- Denken Sie aber auch an die Bach-Blüte Vine (32): die Autoritätsblüte. Sie gehört zur Gruppe der fünf übertriebenen Engagements. Ihre spezifische Anwendung ist bei Personen, sie sich als „Diktator; unflexibel dominierend“ verhalten.
- In der Spagyrik ist der Alkohol aus der Traube der Repräsentant des Mercurius, d.h. des Geist-Aspektes
- Alkoholika heissen ja auch „geistige Getränke“, „Weingeist“ oder gemäss lat. spiritus = Geist, engl. spirit = Geist: Spirituosen, Sprit (auch verwandt mit spirituell etc.)
- Die drei Prinzipien Sal, Sulphur und Mercurius entsprechen Körper, Seele und Geist.
- Traubenalkohol wird als Mercurius verwendet, wenn nicht-pflanzliche spagyrische Mittel hergestellt werden müssen, die keinen eigenen Gärungsalkohol bilden können: z.B. Koralle (Tier / Tierskelett), Antimon, Gold, Silber (Metalle) und Mineralien.
- Im spirituellen, schamanischen und religiösen Gebrauch haben Rebe und Traube eine grosse Bedeutung
- im heiligen Abendmahl ist es der Wein, der das Blut Christi repräsentiert
- mit Wein huldigt man auch Bacchus bzw. Dionysos, dem Gott des Weines und der Vegetation
- Alkohol ist eine Droge, die dazu verwendet werden kann, die Grenzen unserer normalen „Realität“ zu öffnen
- Alkohol repräsentiert den Geist: das haben wir schon beim Hinweis über Spagyrik gesehen
- Alkohol regt das Denken an und beflügelt den Geist von Künstlern, Intellektuellen, Philosophen. Etwas derb und übertrieben heisst es: „Dummheit frisst, Intelligenz säuft“.
- Wein löst die Zunge, lindert Hemmungen, fördert den sozialen Kontakt.
- Probleme durch mentale Verkrampfung, und dadurch ausgelöste Unsicherheit, kann es auch in anderen Situationen lösen:
Wie mir ein Zimmermann letzte Woche berichtete, empfiehlt man einem ängstlichen, unsicheren und deshalb nicht ganz schwindelfreien Zimmermann, ein Glas Wein trinken, um entspannter, lockerer und sicherer seiner gefährlichen Arbeit nachgehen zu können. - Dabei fällt ein, dass auch Stürze aus grösserer Höhe von alkoholisierten Personen besser überlebt werden: beim Aufprall bleiben die Verkrampfungs-Reflexe aus, die bei nüchternen Personen zu einer Schockwelle in den Blutgefässen und zu einer Aorten-Ruptur als typische Todesursache bewirken. (Bitte nicht ausprobieren!) Alkohol senkt so generell das Verletzungsrisiko von alkoholisierten Personen, welche ihre im alkoholisierten Zustand häufigen Stürze oft verblüffend schadlos überstehen!
- Wenden wir uns aber einer Reihe ganz anderer möglicher Anwendungen zu:
- Wird Traubenholz zum Räuchern verwendet?
- Hat Rebenharz Anwendungen: zum Räuchern, als Wundmittel, …?
- Gibt es ätherisches Oel der Rebe, das z.B. in der Aromatherapie verwendet wird ….?
- Was ist die heilkundliche Anwendung dieses wässrigen Sekrets, das beim Abschneiden von Trieben aus den Schnittstellen der Pflanze austritt?
- war es Hildegard von Bingen, die die Tränen der Rebe als Heilmittel beschrieb und einsetzte?
- Was sagt Hildegard von Bingen sonst über die Heilwirkungen der Rebe?
- Was wagen andere Koryphäen der Traditionellen Europäischen Heilkunde diesbezüglich:
- Paracelsus
- Pfarrer Kneipp
- Pfarrer Künzle
- und all die vielen anderen berühmten Heilkundigen?
- (Ich ermuntere Sie dazu, solchen Fragen selbständig nachzugehen!)
- …
All dies soll nicht als Propaganda verstanden werden. Wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Positive und negative Aspekte halten sich die Waage. Aus der Traube wird ein grosser Teil unserer wichtigsten und schädlichsten legalen Drogen gewonnen: Alkohol. Nachdem der Tabak, die zweite unserer beiden legalen Drogen, systematisch unter Druck gerät, bleibt Alkohol allein auf weiter Flur als kulturtypische Droge unserer hiesigen Zivilisation.
Auf die Risiken und Nebenwirkungen der Traube, der Rebe, des Alkohols werde ich hier aber nicht weiter eingehen. Mein Thema ist „verborgene Heilkräfte“, und nicht „bekannte Probleme und übliche Missbräuche“.
Wenn meine Kursteilnehmer/-innen in dieser systematischen ganzheitlichen Betrachtung der verschiedenen Heilwirkungen geschult werden,, führe ich sie nur zu einem Denken, das sie im kulinarischen Zusammenhang bereits gewohnt sind und beherrschen:
- Praktisch niemand ist unfähig oder hält es für überflüssig, Rotwein und Weisswein zu unterscheiden
- und sehr viele Leute sind wahre Experten in der Beurteilung unterschiedlicher Weine und ihrer gezielten Verwendung
- niemand würde Traubensaft, Sauser, Essig, Wein und Grappa „in einen Topf werfen“, nur weil sie alle aus der gleichen Traube hergestellt wurden
- und niemand würde einem Kleinkind Grappa geben statt Traubensaft, weil es ja beides „Traube“ ist.
Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass dann, wenn es um die Gesundheit geht, eine viel oberflächlichere, ja extrem primitive Sichtweise die Norm ist.
Zu diesem Blog Beitrag inspirierte mich der Apéro, den wir an den letzten beiden Samstagen bei der Begrüssung der neuen Jahrgänge der Kräuterakademie am Rheinhof Salez genossen: zu den Ribelmais-Küchlein gab es einen Federweissen vom Staatswingert (Wingert = Wein-Garten), den die landwirschaftliche Schule betreut. Ein Federweisser ist ein weisser Wein, der aus roten Trauben gekeltert wird. Hat ein Federweisser nun die Eigenschaften aus seinen roten Trauben, auch wenn ihm die roten Farbstoffe fehlen, oder hat er die Charakteristika eines Weissweins? Auf jeden Fall: er wirkte inspirierend!
Sind auch Sie inspiriert? Interessieren Sie sich für den Lehrgang? Mit meinen Kolleginnen und Kollegen von der www.kraeuterakademie.ch freue ich mich auf Sie!